Der Maler
So hätte sich der Maler um große Teile seiner Existenz betrogen fühlen können. Allerdings gingen ihm die Verluste doch nicht so nahe, wie er befürchtet hatte. Die große Übelkeit blieb aus. Er hatte sich in seiner früheren Existenz wohl immer schon genug erbrochen. Vielleicht war einfach nichts mehr übrig, was ihn jetzt noch zum Kotzen hätte reizen mögen. Andererseits hatte er sich immer so viel Mühe mit der Malerei gegeben. Sie war ein Inhalt gewesen. Von früh an war er nach Italien gezogen-reichlich konventionell- und hatte sich dort alles angeschaut, was es auf Bildern zu sehen gab. Vom Turm von San Giorgio Maggiore in Venedig hatte er südwärts geschaut, gewissermaßen in Erwartung großer Dinge. Dort hinten verlor sich alles im Nebel. Immer wieder hatte er all die Sachen betrachtet und auch davor meditiert: das letzte Abendmahl von Tintoretto, Giorgione und das Unwetter in der Akademie, die Fresken Pieros in Arezzo, Signorelli im Dom von Orvieto, da Vinci in Mailand, den Camposanto in Pisa. Und seinen Burkhard hatte er gelesen, obgleich er ihn wenig instruktiv fand und etwas gestelzt. Nachdem die Renaissance vergangen war, hatten sich die menschlichen Proportionen auf vertrackte Weise zurück entwickelt, so schien es ihm. Unmaßgeblicher Weise natürlich. Besonders der physiognomische Aspekt war zu einem unappetitlichen Gebilde geworden. So viele Gesichter in den Touristenmassen der Lagune: lauter leere Erwartung zwischen zwei Strichen: Nase und Mund.
Da fragte sich der Maler, wo nun seine Biografie war. Er konnte jetzt an den Anfang und das Ende nicht mehr richtig sehen, sofern er überhaupt etwas gesehen hatte. Seine Muse von damals…. Keine richtige Muse. Vielleicht war sie bloß eine nette Bekannte. Aber sie verstand sich auf Kunst, und zwar oft besser als er. Sie hatte eine untrügliche Intuition und sah in manche Bilder hinein, was er nicht für möglich gehalten hatte. Manchmal träumte er nachts von ihren Überbildern. Wo war sie nun, die junge Studentin der Kunstgeschichte? Vielleicht irgendwo in den Wolken? Nein. Sie saß seit geraumer Zeit in einer psychiatrischen Klinik in der Nähe von München ein. Irgendwann war ein Mac aufgetaucht, hatte ihr ein Kind gemacht und sie dann sitzen lassen. Scheint ein gründlicher Mac gewesen zu sein, wie es manche Macs so an sich haben. Was mit dem Kind passiert war, wollte sie nicht sagen. Sie bekam Schwierigkeiten mit ihrer Familie. Nach dem Desaster, wie sie es nannte, hatte sie mit Hasch angefangen und war, wie es bei sensibleren Gemütern zu gehen scheint, bald in der Drogenpsychose angekommen. Das alles war nun schon ziemlich lange her. Der Maler besuchte sie oft, aber sie verwechselte die meisten Zusammenhänge und konnte sich an die Bilder nicht mehr erinnern. Wenn er aus der Klinik herauskam, schien es ihm oft, als marschiere er in ein schwarzes Loch. Sein rechter Fuß fühlte sich taub an und wenn er mit Spray arbeiten wollte, hielt er plötzlich inne, denn der Nebel des Materials war wie ein Schleier, durch den er auf einmal die Weite wiedersah, in die er von San Giorgio aus in jener Zeit so voller Erwartung geblickt hatte.
Titel: Old Willy Maße: 99 cm x 130 cm Künstler / Ort / Datum : C. Hebell, Berlin 2008 Material Bild / Rahmen: Dispersion, Acryl , Öl Beschreibung: Willy plus Color.
Willys Gesichtszüge verkörpern in rührender Weise die Tragik der Physiognomie eines der alten Indianerhäuptlinge, die um das Überleben ihrer traditionsreichen Stämme kämpften, und alle untergingen.
Oglala, Apachen, Huronen und wie sie hießen. Oben im Norden bei den großen Seen. Heute leben sie in den Ewigen Jagdgründen und in manchen Kinderspielen noch. Sie sind den meisten vielleicht aus den Fotodokumentationen der Indianer geläufig.
Der Maler hat sich bemüht, von dieser Tragik etwas lebendig werden zu lassen.… Weiterlesen
Titel: Old Man River Maße: 45 cm x 62 cm Ort / Datum : Berlin 2012 Material Bild / Rahmen:
Öl auf Fotokarton, auf Holzrahmen gezogen
Beschreibung:
Old Man River, wie alle ihn nannten, lebte unten am Fluss. Der Strom war hier so breit, dass man das andere Ufer von dort, wo er oft stand, kaum noch erkennen konnte. Der Mann wusste nicht mehr genau, ob er immer dort unten gelebt hatte oder vorher woanders.
Die Gegend war ein früheres Industriegebiet. Kaianlagen erstreckten sich den Fluss entlang auf einer Seite. In der Nähe ragten rostige Krahnarme in die Luft, die früher einmal etwas transportiert hatten.
Lange begriff der Mann nicht, was der Maler, der mit… Weiterlesen
Titel: Dickmäns Dream Maße: 99 x 130 Künstler / Ort / Datum : C. Hebell, Berlin 2011 Material Bild / Rahmen: Dispersion, Öl auf Leinwand
Beschreibung: Myth of secret service.
Als das Jahr 1984 herrannnahte, fragte sich die aufgeklärte Intellektualtät mit O., ob es da nicht etwas zu feiern gäbe. Tatsächlich blieben die Feierlichkeiten weitgehend aus. Das Jubeljahr 1984 ging nicht anders vorüber als alle früheren, obgleich man O. sogar in der Schule gelesen hatte. Allerdings hatte man nicht 1984 gelesen, sondern das andere Buch mit dem Titel „Animal Farm“. Das war das falsche Buch. Da ging es gegen den Stalinismus. … Weiterlesen
Titel: Die Jagd nach dem Modell
Maße: 47 cm x 64 cm
Ort / Datum : Berlin 2012
Material Bild / Rahmen:
Öl auf Zeitung und Fotokarton, auf Holzrahmen gezogen.
Beschreibung:
Jedes Bild hat seine Geschichte. Dieses bietet nur einen Abklatsch dessen,was der Maler ursprünglich anstrebte. Die hohe Schule der Mode, die der so genannten Supermodels, bekommt der Sterbliche selten zu Gesicht, geschweige auf die Leinwand. Er musste das allerdings erst mühsam lernen.
Mit den hochdotierten Models verhält es sich so, dass sie zwar freundlich sind, aber nicht begreifen, warum sie vor einem Mann mit einem Pinsel stundenlang stillsitzen sollten, wenn sie in ein paar Minuten auf dem Laufsteg einige Tausend Dollar verdienen. Der… Weiterlesen
Titel: Onkel S. Maße: 99 x 130 Ort / Datum : Berlin 2012 Material Bild / Rahmen: Öl auf Leinwand
Beschreibung: Bei Onkel S. handelt es sich höchstwahrscheinlich um einen märchenhaften Riesen, der unaufhörlich isst und völlig aus dem Rahmen fällt. Alle kennen ihn, aber keiner mag ihn beim Namen nennen. Schon als Kind waren die Eltern gezwungen, ihn wieder und wieder in Entwöhnungskuren unterzubringen, wo er allerdings nicht abnahm, sondern das Gegenteil eintrat. Onkel S. zieht das Chaos magisch an. Zugleich verspeist er alles was ihm in die Quere kommt, von der Spinne bis zur Mausefalle. Sogar eventuelle Detonationen, die in seiner Nähe einschlagen, verleibt er seiner Verdauung ein. … Weiterlesen
Titel: Jüngerer Mann mit grünweißer Locke Maße: 45 cm 63 cm Ort / Datum : berlin 2011 Material Bild / Rahmen:
Öl und Kreide auf Fotokarton-auf Rahmen mit Leinwand gezogen
Beschreibung:
Der junge Mann mit der grünweißen Locke sollte eigentlich ein Selbstbildnis sein. Der Maler entschloss sich dann aber doch, es lieber als das Selbstbildnis eines entfernten Verwandten auszugeben, da er sich unter keinen Umständen eingestehen wollte, mit diesen grünweißen Haaren womöglich vor der Zeit gealtert zu sein.
Die grünweißen Haare waren enstanden, als er dem letzten Galeristen, dem er sich vorgestellt hatte, die Meinung hatte polieren wollen, als der sich ungebührlich über sein Werk geäußert hatte.
Der Galerist hatte geistesgegenwärtig zu einer in der Nähe stehenden Flasche… Weiterlesen
Titel: Weif of bjuti Maße: 45 cm x 67 cm
Ort / Datum : Berlin 2010 Material Bild / Rahmen:
Kreide und Öl auf Fotokarton -auf Holzrahmen mit Leinwand gezogen
Beschreibung:
Weif of Bjuti litt unter häufiger Migräne, sehr schmerzhaften Anfällen , die der Maler in seinem Bild festzuhalten versucht hat, weil auch er einmal über die Spannung eines sonst schönen Gesichts nachdenken wollte. In den Hochphasen der Migräne war Weif of Bjuti kaum zu zu erkennen. Manchmal schleppte sie sich dann vor den Spiegel, um sich dort gewissermaßen mit dem Abbild ihrer Krankheit auszusprechen, als könne sie den Schmerz auf diese Weise lindern.
Die Kommunikation mit dem Spiegelbild brachte seltsamerweise eine gewisse Linderung. Der Maler… Weiterlesen
Maße: 90 cm x 130 cm Ort / Datum : Berlin 2012 Material Bild / Rahmen: Öl auf Leinwand
Beschreibung:
Die nächtliche Robinsonade mit dem violetten Segel zeigt nicht den Maler selbst, sondern ein Double seiner Wenigkeit. Bei der Tour auf dem Floß handelt es sich um einen Erkundigungsausflug auf den Pazifischen Ozean. Weder der Maler noch sein sein Double wollten lange Zeit glauben, dass auf dem Ozean ein Müllstrudel kreist, der so groß sein soll wie Westeuropa. Also schickte der Maler, der sich um die Umwelt sorgt, das Double hinaus, um nach Verifikationen für die Müllhalde zu suchen. Das Double kehrte allerdings bis heute nicht zurück. Es ist seit mehreren Jahren verschollen.… Weiterlesen
Titel: Verlorene Kulturform Maße: 99 cm x 130 cm Künstler / Ort / Datum : C. Hebell, Berlin 2010 Material Bild / Rahmen: Öl auf Leinwand
Beschreibung:
Denkmal einer abgestorbenen Kulturform. Die archäologische Variante der vanitas. Die Tierwelt dringt in die Relikte der Kulturform vor. Die Natur erobert sich ihre Räumlichkeit zurück. Aber diese Interpretation ist spekulativ. Allerdings erinnert die Rückkehr der Natur an die Vergänglichkeit von Kult und Kultur im Allgemeinen. Möglicherweise wird es eines Tages gelingen, die Form der Betrachtung zu reaktivieren. Vielleicht hätte diese Reaktivierung etwas mit einer Musealität zu tun, wie man sie heute gar nicht mehr kennt. Fast niemand zählt die abgestorbenen Errungenschaften mancher Völker. Vor nicht so langer Zeit konnte man… Weiterlesen