„Mister Mai, der Achte“ (Weizsäcker)

„Mister Mai, der Achte“ (Weizsäcker)

Ritschi

Hebell-5

Titel:

„Mister Mai , der Achte“ (Weizsäcker)

Maße:
99 x 130
Künstler / Ort / Datum :
C. Hebell, Berlin 2008
Material Bild / Rahmen:
Spray, Öl auf Leinwand

Beschreibung:

„Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen unserer German Angst freue ich mich, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass ich auch diesmal die Kranzabwurfstelle nur um wenige Millimeter verfehlt habe. Ich bedauere, dass ich angesichts der schlechten Erfahrungen, die die Deutschen mit dem von ihnen so geliebten Präsidenten Hindenburg in  den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts gemacht haben, durch die Verfassung zum Grüßaugust nihiliert geworden bin. Ich bin mehr als das. Das möchte ich hier ausdrücklich  festhalten. Außerdem sieht man es mir an (Bild).

Die Karawane! Schließlich hat  die soziale Marktwirtschaft sich immer dorthin bewegt, wo unsere Gesellschaft zur Größe tendiert und doch ein menschliches Antlitz bewahrt. Dass zehn Prozent der deutschen Bevölkerung 80 Prozent des in der Bundesrepublik vorhandenen Vermögens gehört, tut  nichts zur Sache. Gerechtigkeit ist nun einmal abstrakt! Heute  wie gestern und damals war mir bewusst, dass die besondere Wichtigkeit Deutschlands oftmals die Form einer Banane annimmt. Wer dieser Banane nicht zutraut, eines Tages politisch reif  zu werden, hat nichts verstanden und sollte in den Hungerstreik treten.

In genau diesem Sinne war  es meine größte Entdeckung, dass ich bemerkte, erkannte und durchschaute, dass die Herrschaft einer gewissen Gruppe von Menschen, die sich 1933 unvermutet der Herrschaft bemächtigt hatten, menschenverachtend war. Das hatte vor mir    kein Mensch realisiert. Außerdem hatte ich die Einsicht, dass es sich beim Ende des Zweiten Weltkrieges, dem Sieg der Alliierten, im Jahre 1945 (achter Mai) nicht um eine schändliche Niederwerfung Deutschlands, sondern um eine veritable Befreiung handelte. Kaum zu glauben! Als ich dies in einer längeren Rede den Deutschen  im Bundestag mitteilte, betrachteten die Medien es als eine revolutionäre Erkenntnis. Auch sie schien vor mir  niemand gehabt zu haben. Sie ist so unglaublich tief und neu, dass sie mir in den Geschichtsbüchern die vollgültige Unsterblichkeit bescheren wird.“ (Blah)

Auch Mister Maibaum  existiert nicht mehr. Der  betreffende Galerist erklärte längere Zeit nach der Rückkehr des Malers, er habe sich aus finanziellen Gründen in höchster Not dazu gezwungen gesehen, die Bilder nicht mehr zu verkaufen, sondern zu vermieten. Das neue Geschäftsmodell funktionierte so, dass Interessenten gegen eine Gebühr die Bilder, die sie sich ins Wohnzimmer hängen wollten, für drei  Monate oder länger mietleihen konnten. Selbstverständlich hatte für jedes Bild ein Vertrag vorgelegen, aber als sich der Interessent, der den Eindruck eines soliden Geschäftsmannes gemacht habe, nach mehrfacher Mahnung nicht meldete, stellte sich bei Nachforschung heraus, dass er seine Identität gefälscht hatte. Zusätzlich war in der Galerie ein Rohrbruch aufgetreten, in dessen Verlauf sich  sämtliche Verträge in Fetzen aufgelöst hatten. Der Maler war so töricht gewesen, keinen Vertrag abzuschließen. So sah er in die Röhre: seine Bilder waren verschwunden und die justiziäre Zuständigkeit nur schwer zu konstruieren.

 

 

ch