Seine Omi in Blau

Seine Omi in Blau

Hebell-Klein-12Titel:
Seine Omi in Blau
Maße:
45 cm x 62 cm
Ort / Datum :
Berlin 2009

Material Bild / Rahmen:

Spray und Öl auf Fotokarton, auf Leinwand mit Holzrahmen  gezogen

Beschreibung:

Seine Omi hieß Marta und wohnte am Schäferkampshof  in der Nähe der Hauptverkehrsstraße mit sechs Spuren im Hinterhof eines stehen geblienenen Mietshauses, in dem noch Emailleschilder mit der Aufschrift „Betteln und Hausieren strengstens verboten“  an den Wänden angebracht waren.

Im Treppenhaus roch es nach Bohnerwachs, wenn er Omi besuchen kam, was in letzter Zeit nur noch selten geschah. Wenn er da war, gab es Kaffee und Kuchen und er erzählte Omi von den Sachen, die er so machte.

Seine Malgeschichten betrachtete Omi mit ziemlichem Zweifel: konnte man von soetwas leben? Wahrscheinlich doch nur schlecht. Es sei denn, man war berühmt. Aber wie wurde man berühmt?

Darüber zerbrachen Omi und er sich manchen Nachmittag bei Kaffee und Kuchen den Kopf. Omi war Rentner. Viel Geld hatte sie nicht, das sieht man an ihren Zähnen (Bild).

Sie konnte sich keinen Zahnarzt leisten, der ihr das Gebiss hätte richten können. Ein Kunstgebiss  wollte sie nicht. Einmal fragte Omi ihn, ob er nicht das alte Radio gebrauchen könnte, ein Ungetüm, dessen Lautsprecher noch mit einer Stoffbespannung verdeckt war. Sie hörte nur noch schlecht. „Nein“, sagte er, diese Kästen seien heute völlig aus der Mode.

Später bereute er die Antwort. Dann fragte sie ihn auch, ob er nicht die alte Uhr, die im Schlafzimmer auf dem Wässcheschrank stand, haben wollte.

Auf Omis Tischen und Kommoden lagen Spitzendeckchen, von ihrem Küchenfenster aus sah man einen Fußballplatz, wo an Sonntagnachmittagen gespielt wurde. Man hörte die Pfiffe des Schiedsrichters und manchmal den dünnen Beifall des Publikums.

Omi hatte einen blauen Kanarienvogel, der zur Begrüßung zwitscherte, wenn er zu Besuch kam. Als er einmal ein paar Wochen in Rom gewesen war, wo er es nach siebenstündiger Drängelei bis in die Sixtinische Kapelle geschafft hatte, und Omi wieder besuchen wollte, sah er schon von weitem eine ungewohnte Geschäftigkeit vor dem Haus mit der Nummer 75 .

Vor der Tür, die entgegen der Gewohnheit weit offen stand, hielt ein Möbelwagen und Sachen wurden herausgetragen. Es waren Omis Sachen, wie er sofort erkannte. Er rannte durch den Hof und in den zweiten Stock. Omis Wohnungstür stand ebenfalls weit offen. Drinnen herrschte Geschäftigkeit. Zwei Möbelpacker räumten alles weg, was nicht niet und -nagelfest war.

Am Wohnzimmerfenster stand ein Mann im dunkelblauen Anzug, dessen Haltung ihn an die Schnapsarie auf dem Bild von Max Slevogt erinnerte.  „Was ist denn hier los?“ “ Sind Sie ein Verwandter?“ „Schon!“ „Ihre Großmutter wurde in die Psychiatrie..äh..na ja, Sie wissen schon…“. „Was?“

„Sie widersetzte sich den Maßnahmen des Amts in unmanierlicher Weise“ „Unmanierlicher Weise…?“ Der Beamte reichte ihm ein Schreiben. Da stand, Omi sei gemeingefährlich gewesen und habe schon mehrfach beinah einen Hausbrand verursacht,weil sie das Gas in der Küche nicht abgestellt hatte.

Das letzte, was am Schluss noch in der Wohnung stand, war das Radio. Der Gesundheitsbeamte war gegangen. Der Besucher drückte auf eine der mit Elfenbeinimitat belegten Tasten. In völlig klarer Form und so, als habe er gerade eben angefangen zu singen, ertönte die Stimme Roy Orbisons. Sie widerhallte  gespenstisch in dem völlig leergeräumten Zimmer: „Golden  voices in the  sky…“

 

 

 

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ch

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